Agrarsubventionen für billige Lebensmittel

 

03. Februar 2022

Bild: Tomas Anunziata/Pexels

https://www.heise.de/tp/features/Agrarsubventionen-fuer-billige-Lebensmittel-6346696.html

Wer einen Blick hinter die Kulissen wagt, stellt fest, dass die industrielle Lebensmittelproduktion billige Ware produzieren kann, weil sie vom Steuerzahler massiv subventioniert wird. Qualität ist dabei immer noch kein Thema

Die Agrarwirtschaft wird in Deutschland in der Hauptsache aus zwei Quellen subventioniert. Das sind einerseits Gelder aus dem bundesdeutschen Steuertopf und auf der anderen Seite Mittel, die von Brüssel vergeben werden.

Die EU Agrarsubventionen wurden im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU, bzw. deren Vorgängerorganisationen schon im Jahre 1957 in den sogenannten Römischen Verträgen beschlossen. Die Subventionszahlungen bilden einen zentralen Bestandteil der GAP.

Die GAP wird aus dem EU-Haushalt finanziert. Im langfristigen EU-Haushalt für 2021–2027sind 386,6 Milliarden Euro für die Landwirtschaft vorgesehen, davon:

• 291,1 Milliarden Euro für den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) zur Einkommensstützung für Landwirte

• sowie 95,5 Milliarden Euro für den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) mit Mitteln für den ländlichen Raum, den Klimaschutz und die Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen.

2019 war Deutschland mit Spanien nach Frankreich das Land mit den höchsten Subventionen aus der EU-Schatulle.

Wer erhält die Agrarsubventionen?

Berücksichtigt man die Zahlungen aus beiden EU-Agrarfonds EGFL, auch als “erste Säule” der GAP bezeichnet, und ELER, die “zweite Säule”, dann stellt man fest, dass es sich nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in Deutschland bei den zwanzig größten Subventionsempfängern keinesfalls um die vermuteten landwirtschaftlichen Betriebe handelt.

Bei der Suche nach den Subventionsempfängern wirft die einschlägige Suche für das Jahr 2020 45 Begünstigte aus, die im Haushaltsjahr 2020 mehr als zwei Millionen Euro Subventionen empfangen hatten. Eine Auswertung unter den sechs größten Subventionsempfängern präsentiert keinen einzigen landwirtschaftlichen Betrieb, sondern nur Einrichtungen der öffentlichen Hand: den Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) in Magdeburg, das Landesamt für Umwelt (LfU) in Potsdam, das Land Mecklenburg-Vorpommern – Ministerium für Landwirtschaft, den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), das Landwirtschaftsministerium Sachsen und das Landwirtschaftsministerium Niedersachsen.

Bei der zweiten Säule der EU-Agrarsubventionen namens ELER, welche die Entwicklung des ländlichen Raumes fördern soll, fließen die EU-Mittel nur, wenn sie sie mit weiteren nationalen Mitteln von Bund, Ländern und Kommunen kofinanziert werden.

Warum sind keine Landwirte unter den größten Agrarsubventionsempfängern?

Ein wesentlicher Grund für diese auffällige Bevorzugung weniger Empfänger, ist die Tatsache, dass die Gelder in erster Linie nach den von diesen gehaltenen Flächen verteilt werden. Etwa 70 Prozent der Fördermittel in Deutschland sind Flächenprämien, die für jeden bewirtschafteten Hektar an die Betriebe ausgezahlt werden – unabhängig von der angebauten Kultur und der Art der Bewirtschaftung.

Somit entscheidet hauptsächlich die Hektarzahl über die Verteilung der Gelder. Die Leistungen der Betriebe und ihre Art der Bewirtschaftung dieser Fläche spielen dabei keine Rolle. Dass die Fläche das entscheidende Kriterium für die Subventionen darstellt, stößt längst auf Kritik, weil die Erzeugung hochwertiger Lebensmittel, wie sie beispielsweise von Biolandwirten erzeugt wird, hierbei keine Bedeutung hat und auch eine bodenschonende Bewirtschaftung, die durch ausgewählte Fruchtfolgen die Bodenqualität verbessert, nicht zu einer Erhöhung der Subventionszahlungen beiträgt.

Für viele landwirtschaftlichen Betriebe stellen die Subventionen heute einen wichtigen Bestandteil ihrer Einnahmen dar.

Die Fördergelder machen je nach Struktur eines Haupterwerbsbetriebs im Schnitt etwa 40 bis 50 Prozent des landwirtschaftlichen Einkommens aus. Bei sogenannten Nebenerwerbsbetrieben, die eine zweite Einkommensquelle außerhalb der Landwirtschaft haben, liegt der Anteil der Fördermittel am landwirtschaftlichen Einkommen bei über 90 Prozent.

Bundesinformationszentrum Landwirtschaft

Nicht überschaubar ist derzeit, welcher Anteil der Zuschüsse bei den Landwirtinnen und Landwirten verbleibt. Unter Fachleuten herrscht die Meinung, dass ein Großteil der staatlichen Zahlungen vorwiegend über die Flächenpacht an die Bodenbesitzerinnen und -besitzer durchgereicht wird.

Dabei handelt es sich einerseits um Landerben, die die elterliche Wirtschaft nicht übernommen haben und wegen besserer Verdienstmöglichkeiten abgewandert sind, andererseits jedoch in zunehmendem Umfang um Investoren, für die das begrenzt verfügbare Land lediglich eine Geldanlage darstellt.

Während die Investitionen in Landbesitz eine gute Rendite versprechen, sind die Verdienstmöglichkeiten der in der Landwirtschaft Beschäftigten eher unterdurchschnittlich. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) nennt für Angestellte bei einer Arbeitszeit von wöchentlich 48,8 Stunden einen Bruttoarbeitslohn von 18.256 Euro im Jahr und für selbstständige Landwirte einen Bruttojahreslohn von 34.095 Euro. Angaben zur wöchentlichen Arbeitszeit gibt die Statistik nicht her.

Der ökologische Landbau fordert eine Änderung der Subventionspraxis

Weil ökologisch wirtschaftende Betriebe auf eher kleinen Flächen intensiver wirtschaften, habe sie derzeit kaum Möglichkeiten ihren Mehraufwand mithilfe von Subventionen zu stützen. Da sich die großflächig arbeitenden Betriebe oft gegen eine Umstellung der Art ihrer Bewirtschaftung wehren, weil sie dafür hohe Investitionen in Geräte und Immobilien getätigt haben, die erwirtschaftet werden müssen, ist der politische Widerstand gegen eine Änderung der Subventionspraxis beträchtlich.

Die politischen Parteien haben im letztjährigen Bundestagswahlkampf ihre Änderungswünsche geäußert. Da zeigt sich die volle Bandbreite der Möglichkeiten, von einer Umstellung der Förderung in Richtung ökologischer Landbau bis zur Streichung der Subventionen und einer Erhöhung der Erzeugerpreise, was gleichbedeutend wäre mit einer Erhöhung der Verbraucherpreise.

Wer herausfinden will, welche Forderungen die aktuell im deutschen Bundestag vertretenen Parteien hinsichtlich einer Reform der Agrarförderung vertreten haben, kann den Agrar-o-mat bei Agrarheute testen.

(Christoph Jehle)

Andere Artikel/Meinungen auf Twitter:

Tom de Belfore: Billige Lebensmittel sind oft nur deshalb billig, weil tatsächliche Kosten – z.B. für Umweltverbrauch oder Sozialdumping – unter den Tisch fallen. Aber wer würde ein Produkt noch kaufen, wenn es das Doppelte kostet? https://t.co/VdrD0UtADh

Lämeth: Billige Nahrungsmittel sind keine Lösung gegen Armut.
Armut bekämpfen sollte man nicht indem man die billigsten Lebensmittel an arme Menschen verteilt. Erstens lockt man Landwirte auch in die Armutsfalle, schädigt Klima & Umwelt und ändert nichts an der Armut.

Weltagrararbericht: Die konventionelle Landwirtschaft verursacht oft hohe Kosten für Umwelt und Gesundheit. Billige Lebensmittel können am Ende teuer zu stehen kommen. Damit sich das ändert, will ein UN-Bericht die Kosten nun beziffern, berichtet Christiane Grefe in der…Zeit.de https://t.co/5IdsOHkjoh

Anmerkung Legner:

Es kann auch unterschieden werden zwischen industriell hergestellten, durch die Lebensmittelindustrie verarbeiteten, ev. veränderten, mit Zusätzen versehenen, degenerierten Nahrungsmittel und hochwertigen, biologisch hergestellten, wenig veränderten LEBENSmittel. Der Konsument hat es in der Hand, gesunde, frische Lebensmittel kostengünstig zu erwerben, oder im eigenen Garten zu ernten und die Mahlzeiten selbst zu kochen/zuzubereiten. Die in den Lebensmittelgeschäften angebotenen Produkte sind bei kritischer Betrachtung zu 90 % ungesund und teuer.

Zwei Zahlen zur Untermauerung:

Kühe mit Tagweide haben 350 % Vit. D in der Milch als bei Nachtweide. Kühe mit weniger Kraftfutter und mehr Weidegras liefern Milch mit höherem Omega3-Fettsäuregehalt.

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