„Land schafft Leben“ und seine Förderer

falter.at

Das Landwirtschaftsministerium fördert den Verein „Land schafft Leben“ mit gut 458.000 Euro. Auch inhaltlich sind Verein und Ministerium oft einer Meinung.

Gerlinde Pölsler
11.02.2022
 

Wer bekommt wie viele öffentliche Gelder und von wem? Diese Frage hat Österreich erst kürzlich beschäftigt: Anlass waren die Förderungen der Arbeiterkammer an das Momentum Institut – 1,8 Millionen Euro in zwei Jahren –, die dieses nicht offengelegt hatte.

Nun hat eine parlamentarische Anfragebeantwortung an die FPÖ eine weitere, bisher öffentlich nicht bekannte Förderung zutage gefördert: vom Landwirtschaftsministerium unter Elisabeth Köstinger (ÖVP) an den Verein „Land schafft Leben“. Das Ministerium erklärt darin, es habe Land schafft Leben „2021 eine Förderung, welche durch den Bund und die Bundesländer im Verhältnis 60:40 kofinanziert wird, gewährt. Entsprechend dem Förderansuchen für die Maßnahme ‚Vermarktung und Markterschließung‘ betrug der Anteil des Bundes 458.000 Euro.“ Mit dem Anteil der Länder ergibt das eine Fördersumme von gut 763.000 Euro.

Anmerkung von Legner: Der Wochenzeitschrift Falter sei gedankt, dass dieseFörderpraktiken veröffentlicht werden. Ein wohlklingener Vereinsname soll verheimlichen, dass die Aussagen massiv vom Landwirtschaftsministerium gekauft wurden.

Ein Skandal!  Im Wissen, dass kritischen NGO’s das Fördergeld abgedreht wird (zB ÖBV-ViaCampesina) sollte dies ein parlamentarisches Nachspiel haben.

Ein spannender Bericht, lesen Sie weiter.



Auf der Website weist der Verein zwar seine Förderer aus dem Handel und der Nahrungsmittelbranche aus, ansonsten heißt es nur: „Mit 2021 stehen dem Verein erstmals öffentliche Gelder zur Verfügung.“ Ganz unten auf der Seite findet sich ein kleiner Hinweis “Mit Unterstützung von Bund und Land” und das Ministeriumslogo. Der Betrag findet sich aber nirgends.

Dabei handelt es sich um einen Gutteil des Budgets des Vereins. Für 2020 gibt er sein Gesamtbudget mit „ca. 1,2 Mio“ an. Über das Ministerium kam nun also ein Betrag von mehr als der Hälfte des bisherigen Budgets dazu – den der Verein nicht ausweist. Dabei betont er: „Wir sind ein unabhängiger, unpolitischer Verein. Wir stehen für Klarheit und Transparenz gegenüber den Konsumenten.“

 

Vereinsgründer Hannes Royer sagt dem FALTER auf Anfrage, normalerweise veröffentliche der Verein immer nach Bilanzerstellung im Juni seine Zahlen. Das habe man auch mit dieser Förderung vorgehabt. „Aber von mir aus können wir es auch gleich online stellen.“

2016 haben Royer, Bio-Bergbauer und Rinderzüchter aus Schladming, und die Unternehmerin Maria Fanninger den Verein gegründet. Motto (und Titel des Podcasts): „Wer nichts weiß, muss alles essen.“ Rasch war der redegewandte Royer medial sehr präsent, er versteht es, griffig zu formulieren: „Nur Sex ist intimer als Essen, aber am Teller wollen wir den Mercedes zum Dacia-Preis“. Hunderte Vorträge hat er inzwischen gehalten, der Verein hat Videos etwa zu Getreide oder zur Schweinehaltung und Materialien für Schulen erstellt.

In Medienberichten wird er etwa als „Umweltorganisation“ oder „Konsumenten-Informationsverband“ bezeichnet. Tatsächlich lukrierte der Verein bis zum Vorjahr sein Budget größtenteils über Förderbeiträge von Unternehmen. Aktuell listet die Website 63 Förderer auf, darunter die Handelsketten Rewe, Hofer und Lidl, Molkereien wie die Berglandmilch und Lebensmittelhersteller wie Agrana Zucker und Berger Schinken.

Die Förderbeiträge betragen „umsatzabhängig zwischen € 5.500 und € 110.000 jährlich“. Bei Branchentreffen wie dem „Tag des Handels“ ist Royer inzwischen als Gastredner dabei. 23 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt Land schafft Leben inzwischen. Seit dem Vorjahr gibt es nicht nur in Schladming, sondern auch in Wien ein Büro.

 

Umwelt- oder Tierschutz-NGOs allerdings finden die Aussagen des Vereins oft zu unkritisch. Meist lägen sie näher bei denen des ÖVP-Bauernbunds, Ministerin Köstinger und der Landwirtschaftskammer als bei Umwelt-, Tier- und Konsumentenschutzvereinen. „Notwendige Kritik, etwa von Tierschützer:innen oder Umweltschützer:innen am österreichischen Status Quo, wird meistens als überzogen oder unrealistisch dargestellt”, sagt Sebastian Theissing-Matei, Landwirtschaftssprecher bei Greenpeace. “Als Fazit kommt meist raus, dass sich in der heimischen Landwirtschaft nicht viel ändern brauche – ändern sollen sich immer nur die Konsumenten, indem sie mehr Lebensmittel aus Österreich kaufen.“ Der Verein fungiere eher wie eine zweite AMA (Agrarmarkt Austria): „Eine Organisation, die österreichische Produkte pusht und dabei bewusst die großen ökologischen Unterschiede zwischen konventioneller und biologischer Landwirtschaft verwischt.“

Am krassesten zeige sich das bei der Tierhaltung. Zu den umstrittenen Vollspaltböden in der konventionellen Schweinehaltung etwa ist unter dem Titel „Effizientes Haltungssystem“ zu lesen: „Die Erträge pro Schwein sind gering, somit sind die Bauern auf hohe Tierzahlen angewiesen. Daher ist es wichtig, dass pro Tier möglichst wenig Arbeitszeit anfällt.“

Auch Helmut Burtscher-Schaden, Pestizidexperte von Global 2000, vermisst „kritisches Auftreten gegenüber der konventionellen heimischen Landwirtschaft“ – das sei allerdings bei diesen Geldgebern nicht verwunderlich.

Einige wollen bemerkt haben, dass tagespolitische Aussendungen zuletzt zugenommen haben – und ganz auf Köstinger- bzw. Bauernbund-Linie seien. Nach der europäischen Einigung auf die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) im Vorjahr etwa zeigte sich die ÖVP mit ihrer Verhandlerin Köstinger hochzufrieden, Umweltorganisationen in ganz Europa kritisierten den Deal. Ihnen richtete Hannes Royer per Aussendung aus: „Hören wir auf, alles schlechtzureden!“

Und als kürzlich die deutsche Heinrich-Böll-Stiftung gemeinsam mit der Umwelt-NGO Global 2000 den „Pestizidatlas“ präsentierte, antwortete nicht nur die Landwirtschaftskammer mit scharfer Kritik, auch Land schafft Leben kritisierte die NGOs für „unwissenschaftliches“ Arbeiten (hier eine Replik von Global 2000) und erklärte, die Institutionen der EU und Österreichs würden „garantieren, dass der Einsatz der Mittel bei ordnungsgemäßer Anwendung keine negativen gesundheitlichen Folgen verursache.“ Dass dies „garantiert“ werden könne, ist eine gewagte Aussage, zumal jeder Wirkstoff für sich allein getestet wird – Forscher weisen hingegen auf die unkalkulierbaren Risken hin, die gerade der Pestizidcocktail bei Mensch und Natur bewirken könnte.

Hannes Royer weist die Kritik entschieden zurück. „Ich bin vom Grundtypus her nicht obrigkeitshörig“, sagt er, „ich bin protestantisch erzogen worden. Ich habe schon mit acht Jahren vor dem Bundespräsidenten Ziehharmonika gespielt und mir nix dabei gedacht.“

Von Anfang an habe er es abgelehnt, dass die Förderer des Vereins auch Mitglieder werden, weil das dessen Unabhängigkeit gefährden würde. „Eine Molkerei hat damals zu mir gesagt: ‘Dann können Sie ja alles über Milch sagen!‘ und ich habe gesagt: ‚Ja, das ist so.’“

Und bevor Land schafft Leben 2017 die Recherchen zum Schwein veröffentlichte, habe es massive Interventionsversuche aus der Branche und der Politik gegeben. Er habe schon oft gesagt, dass der Vollspaltboden „ein Auslaufmodell“ sei und matche sich gerade bei diesem Thema hart mit der AMA als auch Ministerin Köstinger. „Ich bin nämlich Tierwohlfanatiker.“

Und was ist mit den sich häufenden Spitzen gegenüber der Biosparte? „Bio-Bauern spritzen und nutzen Gentechnik“, heißt es in einem aktuellen Beitrag. Die Bio-Landwirtschaft sei „längst nicht so ‚heilig’… Wussten Sie, dass die Bio-Landwirtschaft sogar Gentechnik erlaubt?“

Eine Aussage, die unter „Polemik“ einzuordnen ist. Die „erlaubte Gentechnik“ bezieht sich nämlich auf sogenannte Mutagenese-Züchtungen, wo teils seit den 1960er-Jahren neue Pflanzensorten durch chemische oder Strahlenbehandlung entstanden sind. „Ein Großteil aller Hartweizensorten etwa, der Grundzutat jeder Pasta, ist so entstanden“, heißt es, und solche Sorten kämen im Bio- genauso wie im konventionellen Landbau zum Einsatz. Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs handelt es sich dabei um GVO (gentechnisch veränderte Organismen), aufgrund einer Ausnahmeregelung müssen sie aber nicht so genannt werden. Hält man sich allerdings an den üblichen Sprachgebrauch, dann verwendet in Österreich weder der Bio- noch der konventionelle Landbau Gentechnik, und beides behauptet auch niemand.

Auch beim Erscheinen des Pestizidatlas verwies Royer auf den „hohen Anteil an Pestiziden, die auch in der Bio-Landwirtschaft zugelassen sind.“ Was im Biobereich an Kupfer verwendet wird, da müsste man auch einmal genauer hinschauen, sagt er.

Helmut Burtscher-Schaden, Mitverfasser des Pestizidatlas, findet solche Vergleiche „irreführend, wenn nicht dazu gesagt wird, dass in der Biolandwirtschaft nur Wirkstoffe zugelassen sind, die auch natürlich vorkommen“. Etwa Pflanzenextrakte, Seifen, Bienenwachs und Kupfersalze (die Liste der für Bio zugelassenen Wirkstoffe können Sie hier einsehen). Die konventionelle Landwirtschaft verwende diese „Bio-Pestizide“ auch, verfüge aber zudem über einen „Chemiekasten mit Hunderten Chemikalien. Diese kommen nicht natürlich vor, finden aber über die Landwirtschaft Eingang in den Boden, das Wasser und in unsere Lebensmittel.“

Entspricht der Verein immer seinem Anspruch zu zeigen, „wie in Österreich Lebensmittel produziert werden, ohne zu werten“? Ja, meint Royer. Dass sowohl NGOs als auch Bauernvertreter den Verein kritisierten, sieht er als Beweis für die Unabhängigkeit des Vereins.

Die 760.000 Euro über das Landwirtschaftsministerium würden auch heuer wieder fließen. Darüber hinaus gebe es keine öffentlichen Förderungen. Die nächsten Themen, die Land schafft Leben bearbeiten will: Soja, Käse und Rindfleisch.

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