Kopf des Tages, Standard 29.01.2022 S.40
Er traue sich alles zu im Leben, sagte Karl Schirnhofer einst. Andere Wege zu gehen als Mitstreiter treibe ihn an. Er brauche seine Gegner geradezu. An diesen fehlt es dem Fleischverarbeiter nicht. Angelegt hat er sich mit äußerst mächtigen.
Rewe will ihn klagen, nachdem er dem Supermarktriesen Erpressung vorwarf. Als energetisch, beseelt und empfindsam beschreiben Bauern den streitbaren Steirer – aber auch als einen, der aus dem Bauch heraus entscheide und sich als Hitzkopf nichts sagen lasse.
Profifußballer wollte der heute 60-Jährige in seiner Jugend werden. Doch der Vater entließ ihn nicht aus dem elterlichen Fleischergewerbe. Seine schulischen Leistungen bezeichnete Schirnhofer als desolat, in der Lehre fand er sich wieder und entwickelte einen extremen Ehrgeiz. Wenn schon Fleischer, dann auf seine Weise, nannte er seine Devise. Als gelernter Manager sah er sich nie.
Schirnhofer diskutierte als einer der Ersten in seiner Branche über weniger Tierleid, erarbeitete Gütesiegel für neue Standards in der Tierhaltung. Das weltweit CO2 -neutralste Schwein schwebte ihm vor. Klimawandel wurde zu seiner Leidenschaft. Als unüberlegten Schnellschuss entschuldigte er den Ruf nach einer Dirndl- und Lederhosenpflicht in seiner Gemeinde, um die Region touristisch besser zu vermarkten. Immer wieder erwog er, aus dem Fleischgeschäft auszusteigen, um sich der alternativen Energiebranche zu widmen. Daraus wurde ebenso wenig wie aus dem Wunsch, mit Anfang 50 die operative Führung einem jungen Nachfolger zu übergeben.
In Spitzenzeiten wuchs sein Betrieb in Kaindorf zu einem der größten Feinkosthersteller Österreichs mit gut 1900 Mitarbeitern und 200 Millionen Euro Umsatz heran. Bis nach Russland und Georgien wollte Schirnhofer seinen Markt ausweiten.
Dann holte ihn die Pleite von Zielpunkt ein, riss ihn mit. Die Insolvenz seines Unternehmens traf ihn bis ins Mark. Der Versuch, die immense Abhängigkeit von einer Handelskette durch eigene Feinkostfilialen zu reduzieren, war zuvor gescheitert. Schirnhofer rappelte sich wieder auf, besann sich aufs Kerngeschäft und schaffte den Einstieg bei Rewe. Nun kämpft der fünffache Vater erneut um seine wirtschaftliche Existenz – und 145 Jobs. Zwischen die Fronten gerieten 500 Landwirte, mit denen er die Marke Almo aufbaute und über Österreich hinaus groß werden ließ. Rewe könne das Licht seiner Firma jederzeit abdrehen, hielt er in E-Mails an den Konzern fest. Er habe Angst. Verena Kainrath
Views: 55