Falter.natur Der Nachhaltigkeitsnewsletter

Geht es um Tiere, bin ich für diesen Newsletter eigentlich unqualifiziert, denn ich bin kein Tierfreund im klassischen Sinn. Ich fürchte mich vor Hunden und erschrecke mich vor Mäusen. Katzen, finde ich, riechen nicht so gut. Wenn ich im Meer schwimme, denke ich nie: „Wow, toll, Fische!“ Sondern immer: „Oh, fuck, Fische!“

Ich hatte in der Kindheit keine Haustiere, dafür eine Bienenallergie. Die einzigen Viecher, die meine Eltern anschafften, waren vier Enten – sie sollten die Schnecken im Garten fressen. Wenn ich bloßfüßig Fußball spielte, bin ich ständig in ihrer weichen Kacke ausgerutscht. Ich habe die vier „Gogaz“, „Net“, „Sou“ und „Fll“ getauft, was oststeirisch ist und zusammengenommen frei übersetzt „Seid ein bisschen leiser“ bedeutet.

Meine Sensibilisierung für ökologische Themen kommt nicht davon, dass ich Tiere liebe, sondern daher, dass ich die Menschen sehr mag. Unsere Spezies finde ich die interessanteste von allen, sie kann zugleich zum Mond fliegen und die Erde in die Luft jagen. Der ökologische Kollaps, den der geniale Homo sapiens durch beharrliche Arbeit herbeiführt, bedroht ihn mittlerweile selbst existenziell.

Laut dem brandneuen Global Risks Report sind die vier größten Gefahren für die Welt: Extreme Wetterereignisse. Kritische Veränderung der Erdsysteme. Verlust der biologischen Vielfalt und Zusammenbruch von Ökosystemen. Knappheit von natürlichen Ressourcen. Mit „Verschmutzung“ schafft es noch eine fünfte ökologische Krise in die Top 10.

Diese Gefahren hängen miteinander zusammen. Und sie alle gründen auf dem Erfolg der Menschheit. Ebenso wie die Zahl der Menschen explodiert ist – im Jahr 1500 gab es laut Schätzungen rund 461 Millionen von uns, mittlerweile stehen wir bei mehr als 8 Milliarden – ist unser Ressourcenverbrauch gestiegen. „Im Jahr 1500 verbrauchte die Menschheit pro Tag 13 Billionen Kalorien Energie. Heute verbrauchen wir pro Tag 1500 Billionen Kalorien“, schrieb der Universalhistoriker Yuval Harari in seinem Bestseller „Eine kurze Geschichte der Menschheit„, den er im Jahr 2011 veröffentlicht hat. Die Evolution des Homo sapiens ist phänomenal. Wie er sich den Planeten aneignete und letztlich dominierte, bleibt in der Erdgeschichte ohnegleichen. Wir sind vom gejagten Affen zum König der Tiere aufgestiegen. Wir sind Despoten.

Vergangenen Oktober erschien eine Studie, die zugleich wenig überraschend und doch sehr aussagekräftig ist. Forscher:innen hatten ausgetestet, wovor sich die wilden Tiere im südafrikanischen Krüger-Nationalpark am meisten fürchten. Sie spielten ihnen über Lautsprecher Hundegebell, Gewehrschüsse, Stimmen von Menschen und Geräusche von Löwen vor – die Raubkatze gilt in der Savanne schließlich als die gefürchtetste Spezies. Das Ergebnis: Wenn Leoparden, Nashörner, Hyänen, Giraffen, Zebras und Co Menschenstimmen hörten, nahmen sie deutlich häufiger Reißaus als bei Löwengeräuschen oder Schüssen.

Welche Arten leben dürfen, welche sterben sollen, entscheiden wir. Laut einer Studie aus dem Jahr 2018 hat die Menschheit seit Beginn der Zivilisation 83 Prozent aller wildlebenden Säugetiere vernichtet. Wir haben dadurch einiges aus dem Gleichgewicht gebracht. Alle Menschen zusammen wiegen fast 20 Mal so viel wie alle wildlebenden Landsäugetiere zusammen. Und zehn Mal so viel wie alle Meeressäuger. Das zeigt diese Studie aus dem Vorjahr, derzufolge nur eine Gruppe von Säugetieren mehr auf die Waage bringt als wir selbst: jene der Haus- und Nutztiere. Sie wiegen nahezu 30 Mal so viel wie die wildlebenden Säugetiere an Land. Allein die Haushunde sind so schwer wie alle wilden Säugetierarten zusammen.

Der Kampf gegen die Wildnis geht indes weiter. Österreichs Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) setzt sich gerade dafür ein, dass man den streng geschützten Wolf leichter abschießen kann. Auch die EU-Kommission schlug im Dezember vor, den Schutzstatus des Beutegreifers aufzuweichen. In Kärnten befeuert in diesen Tagen die Landwirtschaftskammer die Wolfsdebatte.

Ich verstehe wirklich alle, die sich vor dem Tier fürchten, ich schrecke ja selbst schon vor einem aggressiven Chihuahua zurück. Aber wenn ich mir dieses Ungleichgewicht auf der gigantischen Säugetier-Weltwaage vorstelle und an die Aussagen des neuen Global Risks Report denke, fällt mir unweigerlich dieser lateinische Ausspruch ein, den ich einmal gelernt habe, um klüger zu wirken, als ich bin: Homo homini lupus.

Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.

Bild von Benedikt Narodoslawsky

Ihr Benedikt Narodoslawsky

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