Medikamente belasten Flüsse weltweit

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Analysen

Medikamente belasten Flüsse weltweit

Wenn Medikamente produziert, verwendet und entsorgt werden, landen Inhaltsstoffe in der Natur. Wie sehr Flüsse weltweit belastet sind, zeigt nun eine Studie aus über 100 Ländern. Besonders hoch ist die Verunreinigung in ärmeren Weltregionen. Die Belastung der Donau in Wien ist für europäische Verhältnisse relativ hoch.

Neben Rückständen von gängigen Schmerzmitteln, Diabetesmedikamenten und Antibiotika wie Paracetamol, Metformin und Trimethoprim landen auch Antidepressiva, Brutdruckmittel und Antiepileptika besonders häufig in den Gewässern der Welt. Das kann etwa durch unsaubere Produktionsbedingen passieren.

Nach der Einnahme landen die Inhaltsstoffe ebenfalls im Abwasser und in Kläranlagen. Zudem werden viele Arzneimittel unsachgemäß entsorgt. Auch wenn die Spuren oft sehr gering sind, kann das für manche Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen zum Problem werden. Noch weiß man nicht genau, welche Wechselwirkungen die verschiedenen Substanzen in natürlichen Ökosystemen entfalten.

Menschen sind meist nicht direkt gefährdet, schreiben die Studienautorinnen und -autoren um John Wilkinson von der University of York in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“. Aber wenn etwa viele antibiotische Wirkstoffe in die Natur gelangen, könne das dazu beitragen, dass Bakterien zunehmend Resistenzen entwickeln, die Medikamente also wirkungslos werden.

Globales Projekt

In den vergangenen Jahren wurden zwar schon viele Daten zu pharmazeutischen Inhaltsstoffen in Flüssen gesammelt, heißt es in der soeben erschienenen Studie, besonders in den USA, Europa und China. Global betrachtet gebe es aber noch große Lücken. Für die nun vorliegende Arbeit hat das internationale Team aus 127 Forscherinnen und Forschern versucht, diese zumindest teilweise zu schließen.

Luang Prabang (Laos)
John Wilkinson
Luang Prabang (Laos)

258 Flüsse auf der ganzen Welt wurden im Rahmen des „Global Monitoring of Pharmaceuticals Project“ an mehreren Stellen untersucht, von der britischen Themse bis zum Amazonas in Brasilien. Auch die Donau war Teil des Großprojekts. Aus 36 Ländern gab es bisher keinerlei Messdaten zur Verunreinigung der Flüsse. Die Wasserproben wurden auf insgesamt 61 Substanzen analysiert, neben pharmazeutischen Inhaltsstoffen auch solche in Genussmitteln wie Koffein und Nikotin.

Weltweite Belastung

Die Proben wurden an höchst unterschiedlichen Orten entnommen, etwa in entlegenen Regionen des Amazonas, wo indigene Stämme leben, der menschliche Einfluss generell aber äußerst gering ist. Auf der anderen Seite wurden auch Flüsse in den größten Städten der Welt analysiert, z. B. in New York und Delhi. Auch klimatisch waren die meisten Zonen abgedeckt, von Polarregionen bis zu Wüstengebieten.

Mit Ausnahme des Amazonas und von isländischen Flüssen wurde in allen Analysen mindesten einer der gesuchten Inhaltsstoffe nachgewiesen. Die am höchsten belasteten Gewässer wurden in Ländern entdeckt, aus denen es bisher keine Analysen gab, die meisten davon liegen Afrika, Südamerika und Asien, z. B. Äthiopien, Bolivien und Pakistan. In Proben aus La Paz fanden sich insgesamt fast 300 Mikrogramm pro Liter.

Laborassistentin Teja Urankar misst pH-Wert, Temperatur und elektrische Leitfähigkeit der Flusswasserproben während der Probenahmekampagne an der Donau in Wien
Universität Wien
Uni-Wien-Laborassistentin Teja Urankar misst pH-Wert, Temperatur und elektrische Leitfähigkeit der Flusswasserproben während der Probenahmekampagne an der Donau in Wien

Die höchsten Verunreinigungen in europäischen Wasserproben stammen aus Madrid. Die Konzentration von Wirkstoffen in bisher schon viel analysierten Flüssen etwa in Deutschland war vergleichsweise niedrig. Die Donau liegt mit in Wien gemessenen Werten allerdings im europäischen Spitzenfeld – und unter den 137 untersuchten Regionen weltweit auf Rang 40.

Donau: Messungen in Wien

Im Raum Wien entnahm ein Team um den Umweltgeowissenschaftler Thilo Hofmann von der Universität Wien Proben an insgesamt sieben Stellen an der Donau, in und in bestimmten Abständen nach der Stadt bzw. nach der Wiener Hauptkläranlage. Die Werte der Bundeshauptstadt liegen im Schnitt über denen anderer EU-Länder und über jenen anderer Donau-Anrainerstädte wie Bratislava, Budapest, Belgrad und Bukarest.

Diesen Befund sollte man nicht alarmistisch verstehen, betonte Hofmann. Die teils „erstaunlich hohen Konzentrationen“ zeigten aber, wo Schwächen liegen. So lagen auch in Wien die Carbamazepin- und Metformin-Werte relativ hoch. „Wir finden natürlich auch viel Koffein.“ Dazu kamen mehrere Antibiotika, Allergiemittel und auch Blutdrucksenker und Wirkstoffe gegen Nervenleiden. Unmittelbar nach der Einleitung der Stadtabwässer in die Donau verzeichne man auch Konzentrationen, die Einfluss auf Organismen haben könnten, ein paar Kilometer stromabwärts verlaufe sich das aber wieder.

Menschlicher Einfluss

Zusätzliche Recherchen des internationalen Teams zeigten, dass die Belastungen immer dann besonders hoch waren, wenn die Flüsse in der Nähe von pharmazeutischen Produktionsanlagen liegen, wenn Abwässer einfließen, Abfälle daneben entsorgt werden oder wenn die Gegend sehr trocken ist. Niedrig war sie hingegen dort, wo der menschliche Einfluss gering ist wie in den Rocky Mountains; dort, wo der Gebrauch von Arzneimitteln niedrig ist wie am Amazonas, oder wenn das Abwassermanagement besonders elaboriert ist wie etwa in der Schweiz.

Zu den häufigsten weltweit gefundenen Substanzen zählten neben Koffein, Nikotin, Paracetamol und anderen entzündungshemmenden Stoffen unter anderem verschiedene Antidepressiva, Diabetesmittel und Antibiotika. Teilweise gibt es aber große regionale Unterschiede, schreiben die Autoren. In einem Viertel aller Regionen finden sich manche toxischen Wirkstoffe in solchen Mengen, dass man von einer ökologischen Belastung ausgehen kann.

Die Unterschiede zeigen laut den Forscherinnen und Forschern auch, dass Medikamente nicht überall gleichermaßen zugänglich sind. Eine wichtige Rolle dürften insgesamt ökonomische und soziale Faktoren spielen. So ist laut Studie die Belastung in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen besonders hoch. Das liege vermutlich daran, dass dort Medikamente heute verfüg- und finanzierbar sind, die Infrastruktur – also beispielsweise das Abwassermanagement – aber eher mangelhaft ist. Hoch sind die Werte auch in Regionen, wo die Menschen relativ alt sind und die Arbeitslosigkeit hoch ist.

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