Hoher Preis für weniger Bio

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Kehrtwende im Konsum

Hoher Preis für weniger Bio

Verena Kainrath

War’s das also mit der Liebe zu Bio in Österreich? Konsumenten fordern von Landwirten und der Fleischindustrie weniger Tierleid ein. Sie legen Wert auf regionalen Einkauf – was sie auch immer darunter verstehen. Und sie schätzen in ihrem Urlaub Bauern als Landschaftspfleger. Biolebensmittel aber bleiben zugleich auf der Strecke.

Haushalte mit geringem Einkommen verlieren derzeit rasant an Kaufkraft. Die hohe Inflation frisst ihre Sozialleistungen weg. Und die Regierung hat bisher wenig getan, um ihnen finanziell unter die Arme zu greifen. Wer nicht weiß, wie die gestiegenen Kosten für Wohnen und Energie gestemmt werden sollen, hat andere Sorgen als nachhaltige Ernährung.

Aber auch jene, die während der Corona-Pandemie Geld gespart haben und sich teurere Lebensmittel leisten können, setzen ihre Prioritäten anders. Gegessen und gefeiert wird wieder vermehrt beim Wirt, Reisen haben Hochsaison. Weder in Gastronomie noch im Tourismus steht Bio hoch im Kurs.

Unsicherheit ist Gift für den Konsum. Das bekommen Anbieter kostspieliger Güter als Erste zu spüren. Das abrupte Ende des Biobooms hat jedoch auch andere Wurzeln. Politik und Handel trommelten jahrelang Konsumpatriotismus und impften den Leuten ein, dass Regionalität das bessere Bio sei. Die Biobranche, die selbst zusehends internationaler wurde und emsig importierte, verharrte davor wie das Kaninchen vor der Schlange und sah zu, wie ihr die Felle davonschwammen.

Qualitätsmerkmal ist Regionalität jedoch nicht. Schweine werden regional auf Vollspaltenböden gehalten und mit Gentech-Soja aus Brasilien gemästet. Obst wird regional mit mehr als 20 Pestiziden gespritzt. Doch Biobetriebe, die es wagen, die dunklen Seiten der Landwirtschaft aufzuzeigen, sind dünn gesät. Die Agrarlobby ist zu mächtig, als dass eine von Förderungen abhängige Branche ihr Paroli bieten könnte.

Bio ist auch europaweit unter Druck. Im Namen der Versorgungssicherheit wirft die Landwirtschaft infolge des Ukraine-Krieges leichthändig Umwelt- und Klimaziele über Bord. Statt weniger Getreide zu verspritten oder zu verfüttern, wird Biodiversität beschnitten. Doch selbst eine intensivere industrielle Landwirtschaft löst keine Ernährungskrisen. Zu sehr sind Nutztiere und Böden bereits auf Leistung getrimmt. Die Biobranche muss Nabelschau betreiben und den Mut haben, sich klarer von konventioneller Landwirtschaft abzugrenzen. Denn der Preis, auf Nachhaltigkeit zu pfeifen, ist ein hoher.

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