Hanf mit Chancen?

Landwirtschaft in Erding:„Hanf wird eine Nische bleiben“

3. Februar 2022, 21:34 Uhr

Lesezeit: 2 min

Hanfanbau bei Gauting, 2020

Das Archivbild zeigt ein Hanffeld bei Gauting, auf dem unter behördlicher Aufsicht Pflanzen zu medizinischen Zwecken angebaut werden.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)
Süddeutsche Zeitung

Die angekündigte Legalisierung sorgt für ein verhaltenes Echo. Der Erdinger Bauernverband erwartet nicht, dass der Anbau wieder aufblüht. Der Trend gehe woanders hin

Von Thomas Daller

Im Landkreis Erding wurde noch vor 100 Jahren viel Hanf angebaut. Auf alten landwirtschaftlichen Karten sind vor allem Anbauflächen im Erdinger Moos verzeichnet. Dort hat man die weichen, nassen Böden mit den kräftigen Pfahlwurzeln des Hanfs erst gefestigt, bevor man dort mit dem Pfefferminzanbau beginnen konnte. An eine Renaissance der Pflanze glaubt man beim Bauernverband jedoch nicht. Weder beim Faserhanf noch beim THC-haltigen Cannabis, dessen Legalisierung von der Ampel im Koalitionsvertrag angekündigt wurde.

Aus der Landwirtschaft kommen derzeit unterschiedliche Signale zum Thema Hanfanbau: Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, hat kürzlich die bevorstehende Legalisierung befürwortet und darin eine Chance für die heimischen Landwirte unterstrichen. Es sei eine „hippe Kultur“ und die Landwirte seien da „durchaus offen“. Der Bayerische Bauernverband sieht hingegen eher Chancen beim Nutzhanf, denn die Reglementierung für den Anbau von Cannabis für medizinische Zwecke sei sehr streng und man gehe davon aus, dass das auch beim Anbau von Cannabis als Genussmittel ähnlich gehandhabt werde. Auch für die Erdinger Bauern werde das vorerst nur eine Nische sein, sagte Gerhard Stock, Geschäftsführer des Bauernverbandes Erding. „Wir gehen nicht von einem großen Run aus.“

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir hatte erst kürzlich von einem „großen Interesse“ der Landwirte an der Legalisierung von Cannabis gesprochen. Sie stünden „in den Startlöchern“, um Hanf anzubauen. Prinzipiell seien die Landwirte „sehr innovationsfreudig“, heißt es auch von Seiten des Bayerischen Bauernverbandes. Aber im Moment sehe man darin „kein größeres Potenzial“, sagte der bayerische Bauernpräsident Walter Heidl.

Anmerkung Legner:

Hanf ist eine hochinteressante Pflanze: für die Bauern:

Hanf ist sehr genügsam, braucht wenig Handelsdüger, kaum chemische Spritzmittel. Der Boden wird aufgelockert, die Fruchtfolge erweitert.

Schade, dass die Bauern, die Bauernvertreter bremsend wirken und diese innovativen Chancen nicht nutzen. Überschüsse beim Fleisch produzieren und weltweit exportieren zeugt nicht von besonderer Intelligenz!

 

Hanf – Anbau und Verwendungsmöglichkeiten

Obwohl manchmal zwischen Bauernhanf und indischem Hanf unterschieden wird, handelt es sich botanisch um dieselbe Pflanze. Ob es sich um eine klassische landwirtschaftliche Kultur handelt oder ob die Pflanze unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, bestimmt die Kulturführung und vor allem die verwendeten Sorten. Das entscheidende Kriterium ist der THC-Gehalt von maximal 1 Prozent in der Trockenmasse. THC (Delta-9-Tetrahydrocannabiol) ist das für die psychotrope Wirkung verantwortliche Cannabinoid. Hanf enthält zirka hundert weitere Cannabinoide, darunter das CBD (Cannabidiol), welchem eine beruhigende und angsthemmende Wirkung nachgesagt wird. Es soll zudem auf zahlreiche verschiedene Systeme im Körper wirken und ist daher von grossem therapeutischem Interesse. Der charakteristische Geruch von Hanf wird von organischen Verbindungen, den Terpenen, verursacht. Diese sollen eine entzündungshemmende, antibakterielle und antivirale Wirkung haben. Es ist also nicht verwunderlich, dass der Hanf in medizinischen Kreisen auf reges Interesse stösst.

Prädestiniert für den Bioanbau

Hanf (lateinisch: Cannabis sativa L.) ist eine einjährige zweikeimblättrige Pflanze. Ursprünglich ist Hanf eine zweihäusige Pflanze, das heisst, dass es weibliche und männliche Pflanzen gibt. Die männlichen Pflanzen bestäuben die weiblichen, welche wiederum die Samen bilden. Werden sie nicht befruchtet, bilden sie samenlose Blütenstände. Auf dem Markt gibt

Auf dem Markt gibt es einhäusige Pflanzen (auch Hermaphroditen genannt), welche gleichzeitig weibliche und männliche Blüten haben. Hanf bevorzugt mittelschwere Böden mit guter Wasserversorgung, erträgt aber weder Staunässe noch Verdichtungen. Der optimale pH-Wert des Bodens liegt zwischen 6 und 7,5.

Hanf hat keine besonderen Ansprüche an die Vorfrucht, hat aber Dank seiner Pfahlwurzel einen guten Vorfruchtwert. Es empfiehlt sich eine dreijährige Anbaupause. Hanf ist anspruchslos und robust. Die häufigste Krankheit ist Botrytis. Man kann also sagen, dass sich Hanf besonders für den Bioanbau eignet. Er kann wegen seiner Faser, seiner Samen oder seiner weiblichen unbefruchteten Blütenstände (mit dem hohen Wirkstoff Gehalt, bei legalem Hanf ist das CBD) angebaut werden. Die Anbautechnik unterscheidet sich je nach Verwendung des Endproduktes (siehe Tabelle unten). Der illegale Hanfanbau zu Betäubungsmittelzwecken wird in diesem Artikel nicht thematisiert.

Eine Qualitätsfaser

In der Schweiz ist die Hanffaserindustrie praktisch inexistent, ganz im Gegensatz zu Frankreich und Deutschland (Links am Ende des Artikels). Diese Länder haben in den letzten Jahren die Bemühungen in diesem Bereich massiv verstärkt. Die Hanffaser befindet sich im Stengel, weshalb man für diesen Verwendungszweck eine dichte Kultur mit möglichst vielen langen Stengeln anstrebt. Um die Faser (die Filamente) zu entnehmen, müssen die geschnittenen Stengel während zwei bis drei Wochen auf dem Feld bleiben und regelmässig gewendet werden, damit sie gleichmässig den Elementen ausgesetzt sind. Während dieser Röstphase wird das Pektin, welches die Faser zusammenhält, durch Regen und Sonne abgebaut. Wenn sich das Filament von den verholzten Teilen (Schäbe) gelöst hat, kann das Erntegut in Ballen gepresst und bis zum Spinnen eingelagert werden. Die Schäbe wurde früher als Einstreu verwendet, heute dient sie auch als Rohstoff für Isoliermaterial (Gebäudeisolation).

Die Hanffaser ist von guter Qualität und kann vielseitig eingesetzt werden (Seile, Kleider, Schnur, Papier, Isolierung, Formteile für die Autoindustrie usw.).

Ein wertvolles Öl

Zur Produktion von Hanföl werden die Samen geerntet und ausgepresst. Im Öl aus Samen sind keine psychoaktiven Wirkstoffe enthalten, denn es handelt sich nicht um das ätherische Öl oder den Auszug aus dem Harz der Pflanze. Geerntet werden die Samen mit Mähdreschern, welche leicht modifiziert werden und nur die obersten Teile der Pflanzen ernten. Der Drusch ist anspruchsvoll, die Fasern können sich um die Dreschtrommel wickeln und die Maschine verstopfen, was langwierige Reinigungsarbeiten zur Folge haben kann. Aus demselben Grund ist es auch sehr schwierig, das Hanfstroh zu häckseln. Momentan gibt es in der Schweiz nur eine sehr kleine Ölproduktion. Das Biospeisehanföl bzw. die Hanfsamen werden importiert. Immerhin, die Berner Ölmühle stellt Hanföl aus Schweizer Biohanfsamen her. (Internet-Laden-Preis: Fr. 155.- pro Liter).

Unter hiesigen Bedingungen können im Bioanbau 800 bis 1000 kg Samen pro Hektare mit einer Ölausbeute von 30 bis 35 Prozent erwartet werden. Das Öl ist reich an Proteinen sowie Omega 3 – und Omega 6-Fettsäuren. Für Hanföl gibt es neben der Ernährung zahlreiche weitere Verwendungsmöglichkeiten, zum Beispiel als Brennstoff (es wurde sogar von Rudolf Diesel bei der Entwicklung seines berühmten Motors verwendet), in Farben, Lacken, Kreiden sowie im kosmetischen Bereich.

Es ist möglich, nach dem Drusch der Samen die Stengel als Rohstoff zur Weiterverarbeitung zu nutzen, allerdings ist die Qualität geringer, weil die Pflanze für Ölproduktion später geerntet wird, als für Faserproduktion.

Samenlose Blüten mit hohem CBD Gehalt Die Produktion von legalen Blüten ist viel anspruchsvoller als die Faser- und Samenproduktion, da ausschließlich weibliche Pflanzen in der Form eines «Weihnachtsbaumes» kultiviert werden. Um eine große Zahl von unbefruchteten Blütenständen zu erreichen müssen ausschliesslich weibliche Pflanzen gepflanzt werden. Diese werden von zweihäusigen Sorten vegetativ mit Stecklingen vermehrt. Es dürfen sich keine anderen Hanffelder in der Nähe befinden, da die Pollen sonst die CBD Pflanzen befruchten und sich Samen ausbilden würden. Da nur eine oder zwei Pflanzen pro Quadratmeter angestrebt werden, ist diese Kultur sehr anfällig auf Schnecken, Erosion und Beikräuter. Eine Unkrautbekämpfung ist unumgänglich und erfolgt durch sorgfältiges Hacken.

Der CBD/THC-Gehalt hängt neben der Sortenwahl u.a. von der Witterung ab.

Der Biohanf ist bei den Konsumierenden von legalem Cannabis besonders hoch im Kurs, da er keinerlei Pestizidrückstände enthält.

Rechtliche Situation

Seit dem 1. Januar 2021 wird Hanf in der Schweiz nicht mehr dem landwirtschaftlichen Saatgutrecht unterstellt. Das Bundesamt für Landwirtschaft ermöglicht dadurch die Produktion und das Inverkehrbringen von Saat- und Pflanzgut für die Erzeugung von sogenanntem «CBD-Hanf» in der Landwirtschaft.

Hanf im Saatgutrecht dereguliert (Rubrik Aktuell)

Anbaudaten für Hanf

Verwendung Faser Samen
Häusigkeit zwei- und einhäusig zwei- und einhäusig
Saatzeitpunkt Mitte März bis Mitte April Ende April bis Anfang Mai
Bodentemperatur mindenstens 5 °C 8 °C
Saatmenge zirka 30 kg pro Hektare 15 bis 25 kg pro Hektare
Sämaschine (Art) Getreide Getreide
Saattiefe schwere Böden: 3 bis 4 cm
leichte Böden: 6 cm
schwere Böden: 3 bis 4 cm
leichte Böden: 6 cm
TKG 16 bis 19 Gramm 12 bis 17 Gramm
Reihenabstand 10 bis 20 cm 10 bis 20 cm
Unkrautregulierung nicht nötig bei gutem Auflaufen des Hanfes nicht nötig bei gutem Auflaufen des Hanfes
Düngung N: 100 kg
P2O5: 90 kg
K2O: 200 kg
Mg: 25 kg
N: 60 kg
P2O5: 50 kg
K2O: 100 kg
Mg: 15 kg
Ernte August 
September, wärend der Blütezeit September, wenn die Samen beginnen auszufallen

Eine Kurzfassung dieser Seite erschien im Magazin Bioaktuell 6|2017 auf den Seiten 10 und 11:
Artikel (219.2 KB)

Quellen:
Steckbrief Hanf, Landwirtschaftliches Zentrum Liebegg, Datenblatt von Agridea zu Hanf, 2004

Weiterführende Informationen


Christian Hirschi und Matthias Klaiss, FiBL

https://documentcloud.adobe.com/link/review?uri=urn:aaid:scds:US:ec0893c0-cdab-3925-a296-ceca4fe914b2

 

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