Um die Klimaziele zu erreichen, muss Österreich mehr Sonnenenergie nutzen, doch Solarparks sind umstritten. Eine Alternative sind Agrarphotovoltaikanlagen. Dabei wird der Landwirt zum Energiewirt – und die Natur kaum belastet.
Nora Laufer im Der Standard am 13.02.2022 S.23
In Pöchlarn wird getestet, wie sich Pflanzen unter den Solarpaneelen im Vergleich zu normalen Bedingungen entwickeln. Fotos: Imre Antal
Äpfel, Beeren, Sonnenblumen, Schafe: Im niederösterreichischen Pöchlarn wächst, lebt und steht eine ungewöhnliche Artengemeinschaft auf einem Feld. Wobei weder Obst, Blumen noch Tier das Außergewöhnliche an der Konstellation sind. Seit rund einem Jahr reihen sich auf dem Areal nahe der Donau mehrere Photovoltaikanlagen aneinander. Ein Teil schützt die noch zarten Obstbäume, weitere umranden ein Feld, auf dem bald Winterweizen aus dem Boden spitzeln wird. Das Ökosolarbiotop ist ein agrarisches Versuchslabor, auf dem erforscht wird, wie Felder optimal bewirtschaftet – und zugleich zu Sonnenenergielieferanten – werden können. Agrarphotovoltaik nennt sich die in Österreich noch eher seltene Art der Symbiose.
In nur acht Jahren soll Österreichs gesamter Stromverbrauch aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Zwar ist die Republik bei Erneuerbaren gut unterwegs, noch fehlen aber die letzten Meter. Bis 2030 sollen deshalb 27 Terawattstunden (TWh) aus sauberen Quellen zugebaut werden – Wasserkraftwerke, Windräder, Biomasseanlagen, aber vor allem Photovoltaik (PV). Viel Sonnenenergie soll dabei auf bereits versiegelten Flächen – also etwa auf Gebäude- und Industriedächern oder Parkplätzen – gesammelt werden. Ein nicht unbeträchtlicher Teil wird aber auch im Rahmen von Freiflächenanlagen umgesetzt werden. Hier ist man derzeit auf der Suche nach möglichst nachhaltigen Lösungen.
Die Doppelnutzung agrarischer Flächen ist eine davon. Dabei wird beinahe keine Fläche versiegelt, und im Idealfall kann der Boden daneben voll genützt werden. Für die Forschungsanlage in Pöchlarn wurden gerade einmal sechs Scheibtruhen Beton benötigt, um die Paneele aufzustellen, erklärt Oliver Eisenhöld, der bei der Raiffeisen Ware Austria (RWA), die die Anlage errichtet hat, im Energiesektor tätig ist.
In Pöchlarn ist von der Symbiose aus Technik und Natur derzeit nur wenig zu sehen. Noch sind die Bäume kahl, der Boden in erster Linie lehmiger Gatsch. Die RWA testet in der Anlage, was im Bereich der Mehrfachnutzung alles möglich ist: Da gibt es etwa Solarpaneele, die im Laufe des Tages mit der Sonne mitwandern. Bis auf 40 Zentimeter rechts und links von den Stehern können die Äcker bewirtschaftet werden, erklärt Eisenhöld. Der schmale Streifen könne zum Beispiel als Biodiversitätsfläche mit blühenden Pflanzen genützt werden. „Der Landwirtschaft geht so keine Fläche verloren.“
Ein paar Meter weiter sind die Solarpaneele deutlich höher, unter den semitransparente Glas-Glas-Modulen wachsen Äpfel. Die Anlage kann hier eine doppelte Funktion erfüllen: In der Höhe wird Energie produziert, das Obst ist durch die Paneele mitunter vor Hagel und Starkregen geschützt. Derzeit wird in Pöchlarn fleißig experimentiert: In Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur und dem Lehr- und Forschungszentrum Francisco Josephinum wird auf Vergleichsflächen beobachtet, wie sich die Pflanzen jeweils mit und ohne Solaranlagen entwickeln.
Der im Ökosolarbiotop erzeugte Strom liefert die Energie für den benachbarten Futtermittelproduzenten Garant. Über das Jahr gerechnet kann der Konzern seinen Stromverbrauch durch die Anlage decken.
Wichtig sei, dass für die PV-Anlagen kein wertvoller Boden verbraucht werde, sagt Georg Strasser, Präsident des Österreichischen Bauernbundes und Nationalratsabgeordneter der ÖVP. In Österreich wird täglich eine Fläche in der Größe von rund 18 Fußballfeldern versiegelt. Der Ausbau der Sonnenenergie solle diese Entwicklung nicht weiter anheizen. Die erste Priorität sei „auffi auf die Dächer“, meint Strasser. Hier gebe es aber gerade im landwirtschaftlichen Bereich oftmals das Problem, dass alte Hallen das zusätzliche Gewicht von Sonnenenergieanlagen nicht tragen könnten. Deshalb seien Anlagen auf Äckern eine attraktive Option – solange die Fläche dazwischen weiterhin zu hundert Prozent landwirtschaftlich genützt werden kann.
Gerade dieser Punkt ist Strasser wichtig. Denn beim Bauernbund fürchtet man einen Wildwuchs an klassischer Flächennutzung. Dabei werden die Paneele großflächig in Bodennähe angebracht, eine gleichzeitige landwirtschaftliche Nutzung ist nicht mehr möglich. Hier seien klare Regeln notwendig, meint Strasser. Es dürfe nicht passieren, dass auf den Flächen dann nur ein, zwei Schafe stehen und damit die Kriterien einer Doppelnutzung erfüllt sind. Klare Regeln wünscht man sich auch bei der RWA. Ansonsten entstehe ein Wettbewerb um Ebenen rund um die besten Einspeisepunkte in der Nähe von Umspannwerken – egal wie gut der Boden dort ist.
Insgesamt sieht Strasser in den Agrarphotovoltaikanlagen eine Chance für Landwirte: „Wir wollen auch liefern – und wir wollen aus der Rolle des Klimasünders heraus.“ Mit den Einnahmen, die Bäuerinnen und Bauern mit der Verpachtung generieren, könnten Betriebe ihr Einkommen aufbessern. Angesichts des Bauernsterbens könne der Zusatzverdienst eine vielversprechende Option für Landwirte sein, ist sich Strasser sicher.
Noch steckt die Doppelnutzung landwirtschaftlicher Flächen in den Kinderschuhen. Das Versuchslabor in Pöchlarn ist aber nicht das einzige Projekt dieser Art. Auch in anderen Regionen gedeihen Getreide, Obst und Gemüse in Symbiose mit der Technik, oder aber die Paneele beschatten Schafe und Geflügel.
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